Die Haftung von Geschäftsführern, Bereichsleitungen und Rechtsabteilungsmitgliedern für die Vertragsgestaltung, Verhandlung und AGB-Gestaltung

Die Frage der Haftung bei der Gestaltung von AGB und Verträgen sowie bei der Verhandlungsführung ist von zentraler Bedeutung für die Unternehmensführung und -verwaltung.

 

Sowohl Geschäftsführer als auch Bereichsleiter und Rechtsabteilungen spielen bei der Prüfung und Gestaltung von Verträgen oder AGB eine entscheidende Rolle. Fehler oder Nachlässigkeiten in diesem Prozess können schwerwiegende rechtliche und finanzielle Folgen für das Unternehmen haben. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit diese maßgeblichen Akteure persönlich für solche Fehler haften.

Zu den Kardinalpflichten eines Geschäftsführers gehört zunächst die Pflicht, sich bei der Geschäftsführung gesetzestreu zu verhalten. Hierfür hat er auch persönlich einzustehen und zu haften.
Mit den immer wichtiger werdenden Compliance-Anforderungen stellt sich zunehmend die Frage, ob der Geschäftsführer auch im Innenverhältnis für die Vertragsgestaltung, die einzelnen Vertragsverhandlungen oder die rechtskonforme Gestaltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen haftet.

 

Grundsätzlich ist anerkannt, dass die „Business Judgement Rule“ aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf den GmbH-Geschäftsführer übertragbar ist. Danach steht ihm ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, soweit er bei wirtschaftlichen Entscheidungen annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Er kann dann vor Gericht einen entsprechenden Entlastungsbeweis führen und seine Haftung vermeiden.

 

Diese Grundsätze könnten theoretisch auch auf rechtliche Entscheidungen übertragen werden. In Erweiterung der Business Judgement Rule zu einer Legal Judgement Rule würde der Geschäftsführer dann auch dann nicht haften, wenn er darlegt und beweist, dass er bei der Gestaltung der AGB und Verträge geglaubt hat, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Eine Haftung könnte dann gänzlich ausgeschlossen sein. Dieser Überlegung hat der Bundesgerichtshof in seiner ISION-Entscheidung (Urt. v. 20.09.2011 – II ZR 234/09) jedoch eine klare Absage erteilt. Eine Ausweitung auf einen gesetzlichen Haftungsausschluss soll es gerade nicht bestehen.

 

Bei nachlässiger Vertragsgestaltung droht den Geschäftsführern daher im schlimmsten Fall die Haftungsfalle des § 43 GmbHG. Den Geschäftsführer trifft in diesem Bereich eine besondere Sorgfaltspflicht. Diese Pflicht umfasst die sorgfältige Prüfung der Verträge und die Berücksichtigung der rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen für die Gesellschaft. Hierzu kann es auch erforderlich sein, externen Rechtsrat einzuholen. Dies ist jedenfalls nach der Rechtsprechung immer häufiger erforderlich.

 

Die Haftung bei unsicherer Rechtslage wird sich im Hinblick auf den Geschäftsführer allein nach den Grundsätzen des Verbotsirrtums im Rahmen der Verschuldensfrage richten.
Um hier eine Haftung zu vermeiden, ist auf Seiten des Geschäftsführers erforderlich, dass er die Rechtslage selbst hinreichend geprüft hat. Reicht seine eigene Sachkunde hierfür nicht aus, ist er verpflichtet, unter umfassender Darlegung des Sachverhalts und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen Rechtsrat bei unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträgern einzuholen und die von diesen erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle zu unterziehen.

 

Selbstverständlich kann ein Geschäftsführer diese Pflichten an eine Rechtsabteilung oder an Bereichsdienstleister delegieren. Dies allerdings nur dann, wenn diese nach den insoweit mittlerweile hohen Anforderungen der Rechtsprechung geeignet sind und vom Geschäftsführer angemessen überwacht werden. Insbesondere besteht mittlerweile die Pflicht, die rechtskonforme Gestaltung von Verträgen und AGB (also die Arbeitsmittel des Unternehmens) turnusmäßig stichprobenartig zu überprüfen. Dies kann der Geschäftsführer am besten durch einen externen Rechtsanwalt durchführen lassen, dessen Zeugnis und Korrespondenz hier als Nachweis dienen.

 

 

Auch Bereichsleiter sind nicht von der Haftung befreit

 

Bereichsleiter haben häufig eine leitende Position in einem Unternehmen inne und sind für die Leitung und Verwaltung eines bestimmten Bereichs oder einer Abteilung verantwortlich. Dabei kommt er nicht selten mit rechtlichen Fragen der Vertragsgestaltung oder -verhandlung in Berührung.

 

Grundsätzlich haftet auch ein Bereichsleiter wie ein Arbeitnehmer für schuldhaft verursachte Schäden. Nach allgemeiner Rechtsprechung sind dabei in entsprechender Anwendung des § 254 BGB drei Haftungsgrundsätze zu beachten: Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit trägt der Bereichsleiter grundsätzlich den gesamten Schaden allein. Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist der Schaden anteilig nach den Gesamtumständen zwischen dem Bereichsleiter und dem Arbeitgeber aufzuteilen. Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Bereichsleiter nicht für den entstandenen Schaden.

 

Fehler, z.B. bei der Vertragsgestaltung und/oder -verhandlung, können unter Umständen zu einer Haftung führen. Soweit ein Bereichsleiter Vertragsklauseln nicht ausreichend prüft (oder als Nichtjurist prüfen lässt) und wesentliche rechtliche Risiken übersieht, verletzt er seine Sorgfaltspflicht. Es ist auch seine Aufgabe, die Risiken eines Vertrages ausreichend und umfassend zu prüfen (bzw. als Nichtjurist prüfen zu lassen) und geeignete Maßnahmen zur Risikominimierung vorzuschlagen.

 

Eine besondere Verantwortung im Hinblick auf die rechtliche Prüfung und Gestaltung von Verträgen kommt den Bereichsleitern zu, da diese häufig erhebliche finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen haben können (LG Hamburg, Urteil vom 26.06.2008 – 330 O 86/07).

 

 

Der Fall der Rechtsabteilungen

 

In der heutigen Zeit mit immer spezifischeren Anforderungen an das Compliance Management und die Vertragsgestaltung sind Unternehmensjuristen bzw. Rechtsabteilungen aus den meisten Unternehmen nicht mehr wegzudenken. In ihnen ist ein breites juristisches Know-how des jeweiligen Unternehmens gebündelt. Dies ist ein Vorteil bei der Erkennung und Minimierung von Haftungsrisiken.

Im Hinblick auf die Vertrags- und AGB-Gestaltung sowie die Verhandlungsführung stellt sich darüber hinaus die Frage, inwieweit die internen Rechtsabteilungen mit diesen komplexen Themen vertraut sein müssen und ab wann es geboten erscheint, externen Rechtsrat einzuholen.

 

Insbesondere im Rahmen der AGB- und Vertragsgestaltung kann es schnell zu Interessenkonflikten kommen, wenn die Rechtsabteilung Klauseln empfiehlt, die sich im Nachhinein als unwirksam erweisen oder Verträge entwirft, die dem Unternehmen erhebliche Nachteile bringen oder gar Schaden zufügen.

 

Auch die Unternehmensjuristen einer Rechtsabteilung unterliegen einer hohen Sorgfaltspflicht, die mit der eines externen Anwalts vergleichbar ist. Aufgrund seiner Fachkenntnisse und Berufserfahrung gilt der Jurist in der Rechtsabteilung als Experte und muss insbesondere bei der Vertragsgestaltung besondere Sorgfalt walten lassen. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 23.03.2017 – 8 AZR 285/15) und bejahte in diesem Zusammenhang die Haftung eines Unternehmensjuristen für die fehlerhafte Bewertung eines Vertrages.

 

Die Einholung externen Rechtsrats ist zwar nicht generell verpflichtend, sollte aber im Einzelfall in Betracht gezogen werden. Faktoren, die die Entscheidung beeinflussen sollten, sind die Komplexität des Rechtsfalles, das Vorhandensein interner Ressourcen und Expertise, z.B. im mittlerweile komplexen AGB-Recht oder bei internationalen Verträgen, die Unabhängigkeit und Objektivität sowie die Haftungsrisiken. Bei unzureichenden Rechtskenntnissen oder Unsicherheiten ist die Einholung von externem Rechtsrat eine gebotene Möglichkeit der Haftungsminimierung.

 

 

Fazit

 

Die Haftung von Geschäftsführern, Bereichsleitern und Rechtsabteilungen bei der Gestaltung von AGB und Verträgen ist ein komplexes Thema. Grundsätzlich tragen alle diese Akteure eine hohe Verantwortung für ihre Handlungen und Entscheidungen im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs. Insgesamt kommt es darauf an, dass sie ihre Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt und Fachkenntnis wahrnehmen.

 

Die sorgfältige Prüfung und Gestaltung von Verträgen sowie die Einhaltung rechtlicher Standards sind unerlässlich, um Haftungsrisiken zu minimieren und die langfristige Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. In Zweifelsfällen oder bei komplexen Rechtsfragen kann es aufgrund der breiteren fachlichen Expertise und des größeren Erfahrungshorizonts oftmals ratsam sein, spezialisierte externe Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte hinzuzuziehen.

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