Rahmenlieferverträge: Dauerfalle für Unternehmen? (Teil 3 – Selbstbelieferungsklauseln)

Rahmenlieferverträge sind in der Wirtschaft ein fest etabliertes Instrument, um Lieferbeziehungen zu regulieren. Sie bieten die Möglichkeit, Lieferprozesse zu verschlanken, indem sich die Parteien nur ein Mal für eine Vielzahl von Rechtsgeschäften auf die Bedingungen für Zulieferer für die Lieferung und Abnahme der Ware einigen.

 

Dabei kommt es oft zu der Situation, dass gerade die Käuferseite von dem Bestand und der vertragsgerechten Durchführung des Rahmenliefervertrages abhängig ist. Im Falle des Falles müssen aber viele Unternehmen feststellen, dass die von ihnen (oder auch von juristischer Seite für sie) entworfenen Klauseln des Rahmenliefervertrages nichts oder jedenfalls nicht das wert sind, was sich die Parteien erhofft haben.

 

Diese Blogreihe soll für Unternehmen eine Hilfestellung sein, derartige Fehler zu vermeiden – in Teil 3 der Reihe lesen Sie: Selbstbelieferungsklauseln – Kommt die Ware oder kommt sie nicht?

 

In Zeiten volatiler Märkte, die nicht zuletzt durch die politischen Entwicklungen und kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Zeit geprägt sind, sieht sich die Lieferantenseite innerhalb von Rahmenlieferverträgen zunehmend der Gefahr ausgesetzt, ihre vertraglichen Lieferverpflichtungen nicht erfüllen zu können. Dies steht im Ergebnis abreißender Lieferketten, Embargos oder sonstigen Handelsbeschränkungen sowie Logistikkrisen, die nicht einmal unmittelbar die Unternehmen selbst betreffen müssen, sondern bereits auf der Ebene ihrer Zulieferer eine Leistungsstockung bewirken. Rahmenlieferverträge sehen daher für die Lieferantenseite oft einen Sicherungsmechanismus in Form einer Selbstbelieferungsvorbehaltsklausel vor.

 

Inhalt und Zweck des Selbstbelieferungsvorbehaltes bestehen dabei darin, als Lieferant innerhalb des Rahmenliefervertrages selbst leistungsfrei zu werden, wenn die eigene Zulieferung durch Unterlieferanten unterbleibt, nicht vollständig oder verspätet erfolgt. Grundsätzlich wird dabei von der deutschen Rechtsprechung ein handelsrechtliches Bedürfnis anerkannt, nach dem sich die lieferverpflichtete Partei im Rahmen eines Rahmenlieferverhältnisses selbst leistungsfrei zeichnen kann, wenn sie selbst nicht ordnungsgemäß von ihrem Unterlieferanten beliefert wird.

 

Aufgrund dieses grundlegenden Zugeständnisses der Rechtsprechung „bewaffnen“ sich Lieferanten innerhalb von Rahmenlieferverträgen mit mannigfaltigen, aber fehlerhaft gestalteten Selbstbelieferungsvorbehaltsklauseln oder mit vormals empfohlenen Formulierungen aus einem vertraglichen „Old-School-Zeitalter“ wie etwa: „Rechtzeitige und richtige Selbstbelieferung wird vorbehalten“. Die heutige feingliederige Vertrags- und AGB-Rechtsprechung hat allerdings zahlreiche und nicht immer leicht erfüllbare Anforderungen an solche Selbstbelieferungsvorbehaltsklauseln entwickelt, die strikt zu beachten sind, wenn sie wirksam sein und das gewünschte Ziel einer Leistungsfreiheit bei nicht oder verspätet erfolgter Zulieferung durch Subzulieferer erreichen sollen.

 

Selbstbelieferungsvorbehaltsklauseln, die darauf hinauslaufen, dass der Lieferant des Rahmenliefervertrages sich erst nach dem Abschuss desselben mit der Zuliefererware eindeckt, versagt die Rechtsprechung im AGB-rechtlichen Bereich die Rechtswirksamkeit. Solche werden als unwirksame, unzulässige Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 BGB angesehen. Erforderlich ist vielmehr, dass aus der Klausel hervorgeht, dass der Selbstbelieferungsvorbehalt nur dann greift, wenn der Lieferant sich vor Abschluss des Rahmenliefervertrages, jedenfalls aber vor Abschluss des jeweiligen in Ausführung des Rahmenliefervertrages geschlossenen einzelnen Kaufvertrages, mit der zu liefernden Ware bei seinem Unterlieferanten dergestalt „kongruent“ eingedeckt hat, dass er mit dessen Leistung die entsprechend geschuldete Leistung aus dem Ausführungskaufvertrag des Rahmenliefervertrages erfüllen kann (sog. kongruentes Deckungsgeschäft). Die Klausel darf daher bei verwenderfeindlichster Auslegung nach § 305 c Abs. 2 BGB nicht auch nur theoretisch den Eindruck erwecken, als könne der Lieferant versuchen, nach Abschluss des einzelnen Kaufvertrages und unter dem Rahmenliefervertrag die Ware erst noch „zusammenzukaufen“, um seine Lieferpflicht zu erfüllen.

 

Zudem muss aus der Klausel hervorgehen, dass der Lieferant sich auf den Selbstbelieferungsvorbehalt dann nicht berufen kann, wenn er dem Vertragspartner aus dem Rahmenliefervertrag versprochen hat, uneingeschränkt für die Belieferung einzustehen, also eine Liefergarantie oder ein garantiegleiches Beschaffungsrisiko nach § 276 BGB übernommen hat.

 

Letzteres wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn er sich verpflichtet hat, eine Gattungsware zu liefern, solange nicht die Einschränkung vereinbart wurde, dass die Belieferung lediglich aus dem Warenvorrat des Lieferanten zu erfolgen hat.

 

Im Übrigen sollten Lieferanten im Rahmen von Rahmenlieferverträgen stets darauf zu achten, dass jegliche Fälle einer Leistungsfreiheit nach dem Vertrag, so auch bei den Selbstbelieferungsklauseln, nicht nur die Primärleistungspflicht entfallen lassen, sondern auch die Sekundärleistungspflicht wie die Verpflichtung, Schadensersatz und Pönalen zu leisten. Dies sollte ausdrücklich und transparent in dem Selbstbelieferungsvorbehalt inkludiert werden. Andernfalls kann bei verwenderfeindlichster Auslegung nach § 305 c Abs. 2 BGB angenommen werden, dass diese Sekundäransprüche anderen Rahmenliefervertragsparteien erhalten bleiben.

 

 

Fazit

 

Selbstbelieferungsvorbehaltsklauseln sind handelsüblich und von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt. Diese stellt allerdings bei AGB-rechtlicher Verwendung mittlerweile hohe Anforderungen an die Gestaltung, die im Geschäftsverkehr häufig nicht eingehalten werden. Sinnhaft ist es daher, diese oft „existenzentscheidenden“ Klauseln zusammen mit einem AGB-Experten zu entwerfen oder bestehende Klauseln zumindest von einem solchen überprüfen zu lassen. Dies ist nicht nur unternehmerisch, sondern vielmehr auch unter Gesichtspunkten der Compliance geboten.

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